Wetten gegen den eigenen Verein: Spielmanipulationen zwischen krimineller Energie und Notwendigkeit

Für den 21. Dezember 2016 war im rumänischen Fußball-Ligapokal die Begegnung zwischen ASA Neumarkt und ACS Temeswar angesetzt, das erste Halbfinal-Hinspiel in einem beinahe bedeutungslosen Wettbewerb. Bei zweistelligen Minusgraden hatten sich nicht mehr als 200 Zuschauer im Stadion eingefunden. In Erinnerung blieb das Spiel lediglich aufgrund einer Gelben Karte gegen einen Spieler der Gastmannschaft.

In der 62. Minute erzielte Octavian Drăghici das zwischenzeitliche 1:2 für Temeswar. Nachdem er den Ball am Schlussmann der Gastgeber vorbeigelegt hatte, drehte er nach links weg, lief in Richtung Spielfeldrand und zog sich vor einer Fernsehkamera das Trikot zum Jubeln aus. Diese Art ein Tor zu feiern ist seit 2004 seltener geworden, denn damals entschied das International Football Association Board, ein Gremium, welches Änderungen der Fußballregeln berät und beschließt, das das Ausziehen des Trikots zukünftig mit einer Gelben Karte bestraft werden soll. Nackte Oberkörper gibt es seither nur noch nach wirklich wichtigen Toren zu sehen.

Bereits unmittelbar nach dem Spiel tauchten vermeintliche Fotos von zwei Wettscheine auf, deren einzige Wetten auf eine Gelbe Karte gegen den Spieler Octavian Drăghici liefen. Einsatz jeweils 1.000 Lei, Gewinn insgesamt 5.000 Lei. Zu öffentlich bekannten Ermittlungen durch den Fußballverband kam es allerdings nicht. Möglicherweise hatte sich Drăghici sein Trikot tatsächlich vor Freude über den Kopf gezogen. Doch im Oktober 2018 sprach Radu Birlică, der Präsident der Temeswarer, mit der „Gazeta Sporturilor“ über diesen Vorfall. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Alles, was ich in letzter Zeit gehört habe und generell alles über Wetten in Rumänien, ist weitgehend korrekt. Ich habe von diesem Schein gehört, er war irgendwann eine Diskussion. Ich weiß, dass auch Trainer Ionuț Popa informiert wurde. Wir haben allerdings entschieden, den Spieler zu behalten. Wir sind mit 14 Minuspunkten gestartet und er hat uns in der zweiten Hälfte der Saison dabei geholfen, den Abstieg zu verhindern.“

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SSC Farul Constanța und der lange Arm der Sozialdemokraten

In Konstanza spitzt sich ein Konflikt zu, der das Ende eines Fußballvereins bedeuten könnte. Der in die zweite Liga aufgestiegene SSC Farul Constanța wurde kurz vor Beginn der neuen Saison seines Stadions beraubt und eine bereits zugesicherte Finanzierung durch die Stadtverwaltung wurde zurückgezogen. Die Ursache für den Konflikt und auch die verschiedenen Interessen sind nicht ganz klar, doch im Mittelpunkt scheint ein lukratives Bauprojekt zu stehen. Die Protagonisten: die organisierten Fans des SSC Farul Constanța, Ex-Nationalspieler Ciprian Marica und die Sozialdemokratische Partei.

Der langjährige Erstligist FC Farul Constanța zog sich im Sommer 2016 aufgrund finanzieller Schwierigkeiten aus der zweiten Liga zurück und wurde in der Folge aufgelöst. Zur gleichen Zeit gründeten organisierte Farul-Fans den „Asociația Suporter Spirit Club Farul Constanța“, welcher zur Saison 2016/17 eine Mannschaft für die viertklassige Kreisliga meldete. Schon im ersten Jahr gelang dem Verein der Aufstieg in die 3. Liga, in der vergangenen Saison folgte der Aufstieg in die Zweitklassigkeit. Unterstützt wurde der Club zuletzt mit 2,1 Mio. Lei durch die Stadt Konstanza. Eine bereits zugesicherte Folgefinanzierung, die sich bei einem Aufstieg in die 2. Liga sogar noch erhöhen sollte, wurde während der letzten Stadtratssitzungen am 26. und 31. Juli gar nicht erst als Antrag eingebracht.

Zwei Tage zuvor, am 24. Juli, entschied das Ministerium für Jugend und Sport (MTS) das Farul-Stadion mit einem Regierungsbeschluss der Stadt Konstanza zu übertragen. Den Mietvertrag zwischen dem SSC Farul Constanța und dem Ministerium hatte der scheidende Farul-Präsident Adrian Pitu kurzfristig gekündigt. „Um es klar zu sagen, zu diesem Zeitpunkt gibt es keinen Vertrag zwischen SSC Farul und der DJTS Konstanza (Kreisdirektion für Jugend und Sport). Das Ministerium kann keinen neuen Vertrag mehr unterzeichnen, da es das Stadion an das Rathaus von Konstanza übergeben wird“, erklärte ein Regierungsbeamter gegenüber der Sportzeitung „ProSport“.

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Korrupte Funktionäre, Retortenvereine und ein schlechtes Spielniveau kennzeichnen den rumänischen Fußball

Der rumänische Klubfußball befindet sich im freien Fall – sportlich, finanziell und vom Zuschauerinteresse her. Langjährige Erstligisten spielen nur noch in der Kreisliga und müssen über die umliegenden Dörfer ziehen. In die Fußballstadien der Erstligisten zieht es unterdessen oft weniger Menschen als zum Basketball, Handball oder Eishockey. In den internationalen Klubwettbewerben schaffen die rumänischen Vertreter meist nicht einmal mehr die Qualifikation für die Hauptrunde, auch, weil bis auf Steaua Bukarest kein Verein mehr Ablösesummen bezahlen kann. Noch vor zehn Jahren stand die Divizia A kurz davor ,die Bundesliga in der UEFA-Fünf-Jahreswertung zu überholen. Dinamo Bukarest besiegte im UEFA-Pokal Bayer 04 Leverkusen und Steaua Bukarest musste sich in der UEFA-Champions-League zwar Olympique Lyon und Real Madrid geschlagen geben, setzte sich aber gegen Dynamo Kiew durch. Ein Jahr zuvor standen sich Steaua und Rapid Bukarest sogar im Viertelfinale des UEFA-Pokals gegenüber. Im Sechzehntel- und Achtelfinale setzte sich Rapid gegen Hertha BSC und den Hamburger SV durch. Das Halbfinal-Hinspiel zwischen Steaua und Middlesbrough verfolgten 50.000 Zuschauer im Lia-Manoliu-Stadion.

Rumänien hat Deutschland in der UEFA-Fünf-Jahreswertung nicht eingeholt. Schon eine Saison später verloren die rumänischen UEFA-Pokal-Teilnehmer Oţelul Galatz und CFR Klausenburg in der zweiten Qualifikationsrunde. Rapid Bukarest schied in der ersten Hauptrunde gegen den 1. FCNürnberg aus und auch Dinamo musste sich dem IF Elfsborg geschlagen geben. Hingegen schafften es fünf deutsche Mannschaften ins Sechzehntelfinale. Es war die Zeit, als sich CFR Klausenburg, Oţelul Galatz und Unirea Urziceni kurzfristigen Erfolg erkauft hatten und ihre Eigentümer sich die Europapokalprämien in die Taschen steckten. Heute, zehn Jahre später, existieren Oțelul Galați, Rapid Bukarest und Unirea Urziceni nicht mehr. Dinamo und CFR mussten ein Insolvenzverfahren durchlaufen und Steaua spielt vor 3.000 Zuschauern in der National-Arena. Der rumänische Klubfußball liegt im Sterben. 2011 riet die internationale Spielervertretung FIFPro zur Vorsicht bei Vereinswechseln nach Rumänien: „Die Mehrheit der Klubs haben Probleme, die Gehälter der Spieler zu zahlen.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert. Zu den Ursachen gehören Korruption und kurzfristige Planungen. Die Auswirkungen sind Vereinsauflösungen, fünfzig Zuschauer bei einem Erstligaspiel und Platz 17 in der UEFA-Fünf-Jahreswertung.

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